Eine Annäherung an die Stadt
Aarau Sabine Trüb zeigt im städtischen Rathaus ihr neuestes Werk
Das Rathaus ist das Gebäude der politischen Gemeinschaft. Dort laufen die Fäden aller in Aarau wohnhaften Personen zusammen – Frauen, Männer und Kinder. Wer sind alle diese Menschen? Wie ist ihre Beziehung zu dieser Stadt, zu dieser Gemeinschaft. Wo steht der einzelne in der Menge? Sabine Trüb nahm diese Fragen zum Anlass, eigens für diesen Ort ein Werk zu schaffen. In langer Arbeit ist dabei ein eindrückliches Bild der Stadt entstanden. Es trägt die Handschrift der Aarauer Künstlerin, ist eine Annäherung ans Individuum und spannt gleichzeitig einen feinen Bogen um die Gemeinschaft.
Am 8. Dezember des vergangenen Jahres wohnten genau 15’843 Menschen in Aarau. Auf 15 grossformatigen Papierbögen hat Sabine Trüb mit Bleistift jeden einzelnen Namen aufgeschrieben. Ein fassbares Bild der Menge ist entstanden. Und weil Von-Hand-Geschriebenes unmittelbar an die Zeit erinnert, die das Führen des Stiftes und das aneinandersetzen der Buchstaben gebraucht haben, lässt sich erahnen, wie viele Menschen es wirklich sind.
15 Blätter, die von Hand geschrieben alle einen ganz eigenen Charakter haben, denen doch das gleiche Prinzip zugrunde liegt, eine Gesellschaft, die auf 26 Buchstaben reduziert, deren Puls aber dennoch zu spüren ist. Man entdeckt einen Namen von einem bekannten, vielleicht vertrauten Menschen – es ist ein besonderes Gefühl: Die Gedanken schweifen ab, kreisen um einen vergangenen Augenblick, schweben über einen bestimmten Ort oder lassen in einem ein Wort, eine Melodie aufsteigen. So einfach das Konzept scheinen mag, so vielfältig sind die Zugänge an Sabine Trübs Werk. Die Künstlerin lässt es der Besucherin oder dem Betrachter frei, eigene Bezüge zu machen. Nach dem Grossvater suchend vor dem Papier zu stehen ist genauso legitim, wie sich in den Namenstrudel hineinziehen zu lassen und sich über diese zufällige Ansammlung von Namen in einer zufälligen Reihenfolge an einem zufällig gewählten Stichtag zu machen, die nichts und doch so vieles gemeinsam haben und von denen in der Zwischenzeit einige schon wieder weggezogen oder gestorben sind. Sabine Trüb ist es mit ihrem durchaus auch kritischen Werk gelungen, «der Öffentlichkeit» ein Gesicht zu geben. Ihre Arbeit wirkt und lebt gerade durch den Ausstellungsort und ihren inhaltlichen Bezug zum Rathaus. So hat die Künstlerin bewusst auch die goldgerahmten Einzelporträts vergangener Stadt-Persönlichkeiten dazu gruppiert. Die Frage nach dem Kollektiv und dem Ich und nach der Verantwortung in der Gemeinschaft zwischen Globalisierung und Individualismus greift sie so auf ihre Weise auf und lädt zum Nachdenken ein.
Sabine Trüb ist 1959 geboren, in Küttigen und Aarau aufgewachsen und hat an der ETH Zürich Architektur studiert. Einige Jahre später unterrichtete sie dort Bildnerisches Gestalten. Seither arbeitete sie vermehrt als freischaffende Künstlerin. Ihr Werk konnte sie schon ihn zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zeigen, wie etwa ihr Beitrag «Auf einen BLICK» an der Jahresausstellung der Aargauer Künstlerinnen und Künstler 1998 oder die «auf Wand»-Arbeit 2001 in der Theaterbar Tuchlaube. Sabine Trüb wurde vom Aargauer Kuratorium mit einem Beitrag an das künstlerische Schaffen und mit einem Atelier-Stipendium für Berlin ausgezeichnet und gefördert. (rap)